Kennen Sie diese Sätze? „Wir müssten mal …“, „Man sollte doch …“, „Könnten wir nicht einfach …?“
Nach Jahren in Beratung, Start-ups und Kreativwirtschaft bin ich allergisch gegen solche Satzanfänge geworden.
Sie kündigen meist den Beginn eines Kaffeemaschinen-Brainstorms an: Fünf Minuten Euphorie, weil jemand auf LinkedIn, TikTok oder im Bus aufgeschnappt hat, was jetzt der nächste Gamechanger sein könnte, für das Unternehmen, das Produkt oder gleich die ganze Branche.
Dann bestätigt man sich gegenseitig, wie genial die Idee ist. Und dann? Passiert nichts. Gar nichts. Null. Bis zum nächsten „Man müsste mal …”
Das Müsste-Verbot
Jede Organisation gibt sich ein jährliches Müsste-Budget. Pro Mitarbeiter: max. ein „müsste“, „sollte“ oder „könnte“ im Halbjahr ist erlaubt. Ab dem dritten gibt es eine Abmahnung.
Für C-Levels gilt: Sofortiger Rücktritt, wenn sie solche Sätze öffentlich sagen oder wirklich ernst meinen.
Ideen ≠ Innovation - Warum der Innovationsprozess zählt
Die Vorstellung, dass die beste Idee unter der Dusche entsteht und danach sofort „krass“ ist, hält sich bei vielen leider hartnäckig. Aber Ideen sind keine Innovation. Ideen sind einfach. Ideen haben alle - einen ganzen Keller voll davon!
Innovation ist Arbeit. Sie braucht Vorbereitung, Ressourcen und Prozesse.
Innovation ist Umsetzung unter realen Bedingungen. Niemand sagt zum Notarzt: „Sie sollten vielleicht einfach mal die Blutung stoppen?“
Aber genau so klingen viele Innovationsvorschläge im Büroalltag.
Innovation ist mehr als Ideenmanagement – ein strukturierter Innovationsprozess sichert Umsetzung und Marktrelevanz.
Was ist Innovation?
Bevor man Innovation ungefragt fordert, sollte man wissen, was Innovation ist. Wer das nicht beantworten kann, schießt mit jedem gut gemeinten Vorschlag ins Blaue.
Ein paar Basics:
Um nicht bloß über Innovation zu quatschen, sollten wir uns fragen, was wir damit überhaupt meinen.
Paul Trott, Universitätsprofessor für Innovationsmanagement, bringt es auf den Punkt:1
- Innovation ist ein Prozess und kein Moment.
- Sie ist kontextabhängig.
- Sie schafft Neues und bringt Veränderungsdruck.
- Sie ist messbar nur durch ihre Umsetzung.
→ Innovation ist, wenn Neues gemacht wird, nicht wenn Neues nur gedacht wird.
Innovation scheitert an Menschen
Der größte Feind der Innovation ist nicht Technik, Kapital oder Zeit. Es sind Menschen. Denn das Neue stellt das Alte infrage. Es ist wie in einer unglücklichen Beziehung: Man weiß, dass es nicht mehr funktioniert. Aber man bleibt, weil man schon so viel investiert hat.
Veränderung klingt gut, solange sie nicht weh tut. Innovation kann weh tun. Sie bedeutet: Loslassen, was man kennt.
Wenn also beim nächsten Aufzugsgespräch jemand sagt: „Wir sollten doch mal X mit Y um Z." Dann antworten Sie: „Gute Idee, aber was daran macht dir Angst?“
Der Realitätstest für Führungskräfte
Die ehrliche Frage an jede Führungskraft, die über Innovation spricht, sollte lauten: „Bist du bereit, etwas zu entwickeln, das dich abschafft?“ Diesen Satz habe ich noch nie gehört. Aber er wäre sehr innovativ.
TL;DR
- Ideen sind überbewertet.
- Innovation ist ein Prozess, keine PowerPoint.
- Innovation bedeutet, sich selbst in Frage stellen zu können.
- Sätze wie ‘man müsste mal’ sind reine Zeitverschwendung.
1 Trott, P. (2008). Innovation management and new product development. Pearson education.